Helmut Augustiniak
Das Gespensterhaus in Ketzin/Havel

Gespensterhaus 1935 von der Straßenseite
Die älteren Ketziner Einwohner können sich noch daran erinnern, dass es in Ketzin/Havel in einem Haus in der Albrechtstraße gespukt haben soll. Der Geist eines in dem Haus Ermordeten sei in den Kellergewölben „umgegangen“, wussten die Einen, andere Ketziner hatten ein klapperndes Totengerippe auf dem Dach des Hauses gesehen.
Es ist ja bekannt, dass jede Spukgeschichte ihre Ursache hat. In Burgen und Schlössern sind es unglücklich gestorbene oder ermordete Frauen, in wenigen Fällen auch grässliche Schlossherren. Gespenster aus niederen Bevölkerungsschichten sind überwiegend aus Habgier ermordete reiche Familienangehörige oder waren reiche Besucher. So auch hier in Ketzin/Havel. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, so erzählten sich die Ketziner Bürger, weilte bei der im Hause wohnenden Familie ein in Amerika reich gewordener Verwandter. Einmal ist es der Sohn, einmal der Bruder. Dieser war plötzlich verschwunden. Das Gerücht besagte, dass er wegen seines Reichtums ermordet wurde und im Keller des Hauses vergraben wurde. Das Gerücht verstärkte sich immer mehr und die Staatsanwaltschaft ordnete eine Nachgrabung an. Es wurde aber kein Leichnam gefunden.
Anfang der 30iger Jahre des vorigen Jahrhunderts erwarb ein Ketziner Landwirt das „Spukhaus“. Das Haus war wegen seines hohen Alters schon sehr baufällig. Es wurde wahrscheinlich schon im 18. Jahrhundert gebaut, da es von den großen Brandkatastrophen in Ketzin/Havel nicht betroffen war. 1933 begann der Landwirt deshalb das Wohnhaus abzureißen. Er wollte zu gegebener Zeit ein neues Haus bauen. Das alte Haus war nur zum Teil unterkellert. Die Küche hatte keinen Keller. Hier wurde beim Ausschachten in ein Meter Tiefe ein menschliches Skelett gefunden. Seinem Zustand nach, so der damalige Ketziner Amtsarzt, ruhte es schon viele Jahrzehnte dort. Es bewahrheitete sich auch hier wieder der Ausspruch: „Wo viel Rauch ist, ist auch Feuer“. Also wird angenommen, dass der Skelettfund etwas mit dem Spuken in bzw. auf dem Haus zu tun hatte.
Gespensterhaus 1935 von der Hofseite
Beschäftigt sich der geschichtsinteressierte Ketziner näher mit der Historie des betreffenden Hauses, kommt er zu anderen Erkenntnissen. Das Haus wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Ketziner Chirurgen Ernst Friedrich Metzger bewohnt. Er war ein übler Mensch. Kein anderer Arzt konnte sich in Ketzin/Havel niederlassen. Stets wurden die Mediziner durch üble Nachrede und ständige Beschwerden über sie beim Magistrat durch Metzger aus der Stadt vertrieben. Nachdem der Chirurg in vierter Ehe eine 40 Jahre jüngere Prostituierte aus Berlin heiratete, nahte sein Ende. Seine junge Frau hatte ein Verhältnis mit einem jungen Mann, der im selben Haus wohnte. Beide beschlossen Metzger umzubringen, um an sein Geld zu kommen. Frau Metzger vergiftete ihren Mann und die Frau ihres Liebhabers. Als sie aufgrund dieser Verbrechen verhaftet werden sollte, tötete sie zwei Kinder des Geliebten, das dritte wurde schwer verletzt. Die Frau endete am Galgen, ihr Liebhaber erhängte sich im Gefängnis.
1935 angefertigte Skizze vom Fundort des Skelettes
Wer der Tote unter der Küche des Hauses war wurde nie geklärt. Als man ihn fand, hatte er keine Unterschenkel mehr. Sie waren ihm amputiert worden, weil das Loch, in dem er begraben wurde, zu klein war. Es könnte eine Arbeit des Chirurgen Ernst Friedrich Metzger gewesen sein.
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